Weil Party weiterhin abwesend, heute mal ein ernsteres Thema, das mir seit Längerem auf den Nägeln brennt.
Wie haben sie nicht geschimpft, protestiert, leider manche, sicher wenige, auch randaliert. Die Opposition hat blockiert, Genralstreiks das Land lahmgelegt, die Presse den europäischen Partnern, allen voran dem reichen Norden, Geiz und Hetze vorgeworfen. Im Land schien bisweilen selbst die Staatsmacht damit überfordert, noch die Ordnung aufrechtzuerhalten, währrend an den Finanzmärkten die griechischen Papiere zu Junk-Bonds wurden mit astronomischen Riskoaufschlägen. Und ob mittlerweile in Athen wieder der Müll angeholt wird, habe ich bislang auch nicht herausbekommen können. Ja, um die Südostecke Europas sieht es schlecht bestellt aus.
Das ist gut verständlich. Wer würde momentan griechische Staatsanleihen kaufen? Wer wollte in der Haut der Menschen stecken, die plötzlich Gehaltseinbußen von 50% hinnehmen müssen oder gleich ihren Job verlieren? Wir würden alle auf die Straße gehen und verzweifelt sein. Und dann stellen sich die reichen Nordländer hin und stellen auch noch Forderungen.
Doch das Problem, das ahnen auch jene, die dieser Tage Steine schmeißen, friedlich demonstrieren (was wohl eindeutig die meisten sind) oder mit Sorgenfalten ein Glaserl Ouzo zu sich nehmen, ist nicht so einfach, dass da nur jemand etwas den Menschen wegnehmen möchte. Denn das, was viele Millionene Griechen über die Jahre bekommen haben, (die griechische Staatsquote ist eine der höchsten Europas und für eine entwickelte Wirtschaft eindeutig zu hoch) war eigentlich nie da. Ein Schuldenstand von mehr als 180% des BIP legt ein beredtes Zeugnis davon ab.
Dafür kann der Busfahrer in Korinth freilich nichts. Er mag zwar das vierfache verdienen wie sein Kollege in Sofia und selbst mit mitteleuropäischen Standards nicht schlecht dastehen, aber soll er die Annahme seines Lohns verweigern? Nein. Der Karren Griechenland ist langsam von vielen kleinen Akteuren über Jahre an die Wand gefahren worden, dafür sind die wenigsten direkt verantwortlich. Vielleicht ein Beamter, der schon wieder eine Baugenehmigung an eine befreundete Firma vergeben hat und eine selten genutzte Straße erbauen ließ. Diejenigen, die die Bilanzen schönten, um der Gemeinschaftswährung beitreten zu können. Viele mehr, aber auch viele, die hart arbeiteten, einen vernünftigen Lohn bekamen, so empfanden sie es zumindest (Man vergleicht sich eben nicht mit Bulgarien), denen nun alles gekürzt wird. Nebenher steigen auch noch Mieten und Lebenshaltungskosten, weil die um Geld ringenden Firmen natürlich alles versuchen, um nicht auch Bankrott zu gehen. Da haben wir den griechischen Bauernsalat mit Schafskäse und Oliven.
Die Schuldigen, sofern sie denn überhaupt greifbar wären, werden niemals auch nur 1% der Gesamtverschuldunlg tilgen können, weil es, bis auf einige große Steuerhinterzieher, eben wie gesagt kleine Würmchen sind, die selber nicht gut dastehen. Vielleicht erwischt man ja noch einen Teil der Steuerhinterzieher, aber das wird die griechische Tragödie nicht beenden können.
Und das ist der Punkt, wo Papandreou mit ins Spiel kommt. Dieser getriebene Mann, von Europa unter Druck gesetzt, versucht nun, was zwanzig Jahre lang vergessen wurde. Dafür steht er am Pranger. Er weiß, das er in einer Zwickmühle sitzt, nur darum, das allerschlimmste abzuwenden, kann es noch gehen. Nimmt er die Hilfe der EU an, muss er sein Land totsparen. Ohne diese geht Griechenland bankrott, könnte aber wieder neu anfangen, in fünf, zehn Jahren vielleicht. Kein Ökonom ist sich sicher, was der bessere Weg wäre.
Nach Wochen, an denen die Wiege der Demokratie am Rande des Chaoses zu stehen schien, will er nun diese Entscheidung nicht mehr alleine tragen. Der Zeitpunkt, die Art, seine Informationspolitik mögen ungeschickt gewesen sein, vielleicht gar falsch, aber ich habe vollstes Verständnis für diesen Schritt. Weil nun zum ersten Mal all jene gefordert sind, die ihn und seine unvermeidliche harte Sparpolitik immer kritisierten. Welchen Vorschlag habt ihr denn, griechische Gewerkschaften? Den Flugverkehr lahmlegen, weil wir damit vielleicht den Tourismus ankurbeln können? Wohl kaum. Die wahren griechischen Patrioten werden in dieser Stunde geboren.
Keiner weiß, was nun zu tun ist. Einige, tendenziell zähle ich mich eher zu dieser Gruppe (dank meines Baccalaureus darf ich mich ja auch als Ökonom bezeichnen), sehen in der Insolvenz und dem Verlassen der Euro-Zone trotz vieler unbekannter Folgen eine neue Chance für Griechenland, wenn das Volk diesen Schritt billigt. Andere denken, dass Griechenland Sparen und Rezession lieber hinnehmen sollte, um die anderen nicht anzustecken und selber am Tropf des EFSF genesen kann. Was richtig ist, werden wir nie erfahren. Doch die Geschichte wird trotzdem geschrieben werden. Mit einem schwärmerischen Gedanken an kühlen Retsina wünsche ich diesem sympatischen Land im Süden Europas, dass sie sich bald entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen und ihn dann, gemeinsam entbehrungsreich meistern.
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