Dienstag, 14. Januar 2014

Sturmfrei

Man lasse sich das Wort auf der Zunge zergehen. Was hat nicht allein der Klang dieses Begriffes früher für Glücksgefühle ausgelöst! Sturmfrei - das hieß schnell Einkaufen fahren, Bier, Chips und irgendwas womit man die Mädels dicht bekommt. Wer denkt nicht an American Pie, Project X, Superbad. An ungewohnte Freiheit, an das Gefühl, behütet zu sein und doch einmal Fünfe gerade sein zu lassen. Und daran, ob nicht die Hübsche aus der Parallelklasse vorbeikommt. War man selber nicht der Glückliche, Hotel Mama einmal ohne Personal zu erleben, war es vielleicht ein Kollege, auch wenn die Eltern nur einen Tag für eine Kurzreise weg waren, gleiche Prozedur, Einkaufen, Bier, Chips, Grill, gute Laune, jemanden mit iPod und schon konnte man sicher sein, dass Axel in die Büsche bricht.

Auch wenn diese Zeiten vorbei sind, der Papst längst aus den Büschen verschwunden ist (aber doch ab und an seinen päpstlichen "Segen" spendet) und wir nicht mehr auf Glücksereignisse warten müssen, die unsere Zehlendorfer Elternhäuser zur Partyzone verwandelten, bei denen übrigens immer einige schöne Stories für die nächsten Wochen Palawer vor dem Schulportal herauskamen, der schöne Klang von "Sturmfrei" löst immer noch einiges in uns aus.

Als ZuBu letzte Woche via Whatsapp bekannt gab ("Ich sage nur drei Worte"), er habe sturmfrei, ließ die begeisterte Reaktion seiner Jünger nicht lange auf sich warten. Dass er mittlerweile in seiner eigenen Dachgeschosswohnung lebt, mit seinem von ihm auserwählten Fräulein, sein eigenes Geld hat - plötzlich war es vergessen. Die drei Musketiere waren wieder Jugendliche und eine sturmfreie Zeit hat man damals niemals ungenutzt gelassen.
Nachdem man noch gemeinsam sportlich gewesen war, ein Weißbier gekippt hatte, war es an der Zeit, im ZuBuZentrum unsportlich zu werden. 36 Stunden hartes Gammeln. Wie früher. Nur die Mädels fehlten noch. Aber eins nach dem anderen.
Da wir früher, zu Schulzeiten, nie gemeinsam abgehangen haben, schlicht und einfach, weil wir drei uns noch gar nicht kannten (ZuBu und Ben* aber schon), fehlten allerdings die üblichen Uralttraditionen, die Männerrunden meistens so haben: Mariokart, Netzwerkparty, Playstation und der Genuss von Fusel oder vergleichbaren. Das war positiv. So konnte man sich gleich dem Grillen (9. Januar!) und Saufen von leckeren Getränken zuwenden. Das taten wir. Im Fernsehen schauten wir anschließend, wie die Party abgelaufen wäre, hätten wir das ganze auf Crackslist gepostet (Project X). Ein Joint hatte solch einen überflüssigen Elan zum Glück verhindert.
Dank Ben*s optimaler Vorbereitung mit mehreren Kilo Fleisch und Kohle musste insgesamt eigentlich nur stetig für den Bierfluss eingekauft werden. Der Verkäufer des Spätkaufes an der Karl-Marx-Str. erlebte mich dafür zweimal: In der Nacht mit Fahne Bier kaufend, am nächsten Morgen mit noch schlimmerer Fahne Bier kaufend. An diesem Abend allerdings gingen wir dann das notwendige Bier mit echt schlimmer Fahne woanders kaufen - langsam wurde das ja echt peinlich.
Kaum hatte der zweite Tag mit Schnaps begonnen, war es Zeit mal etwas Produktives zu veranstalten. Also nahmen wir Pilze. Die schmeckten zwar richtig widerlich, dafür nahm Ben* einen roten Kopfhörer auch als wirklich sehr rot war. Toll. Ansonsten hielten sich die Wirkungen sehr in Grenzen.

Unerwartete Gelegenheit
Zum Glück ist wenigstens auf Alkohol Verlass. Nachdem ZuBu und ich einen Abstecher in einen Berliner U-Bahn-Schacht gemacht hatten, der echt spannend war, weil ein Zug vorbeirauschte, konnte man dann auch endlich sagen, dass ich einen Zustand erreicht hatte, wie er für eine Sturmfrei-Party angemessen ist. Pfiffy gestand, dass er aufgrund der angeblich permanenten Gefahr von Weegees keine Stringtangas mehr trage und er eine "übelst gute Männernutte" wäre, während Benni uns das Steak briet. Als die Gäste kamen, war der Weihnachtsbaum illuminiert und ich gut dicht, so dicht, dass alle Versuche des Abends mit unserem polnischen Gast einige Sätze auf Englisch zu wechseln nicht immer im Desaster, doch zumindest in allgemeiner Erheiterung endeten.

Als ich am nächsten Morgen den Ort des Geschehens verließ, freute sich eigentlich nur meine Leber, dass Sturmfreiparties noch nie ein Zustand von Dauer gewesen waren. Sturmfrei hat seinen Klang mehr als nur behalten. Es wird wieder passieren und das Schöne heutzutage ist, dass wir es nun selber in der Hand haben.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen