Freitag, 4. Mai 2012

1.Mai

Berlin hat sonderbare Angewohnheiten. Das wissen alle, die längere Zeit mal woanders waren. Da wäre unser einzigartiges Recycling-System zu benennen, indem man ausgetrunkene Pfandflaschen einfach auf die Straße stellt, damit ein gutes Werk für weniger wohlhabende Menschen tut, die Stadtreinigung entlastet wird, die Stadt sauberer wird und man selber die leere Hülse endlich los ist. Oder ein anderes Gesetz, das einst mal im ganzen Reiche, wenn nicht in ganz Europa Gültigkeit hatte: Saufen in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist gut und sinnvoll. Man kann so die Zeit nutzen und obendrein wird dort oftmals für Stimmung gesorgt. Was sind das für rückständige Orte, an denen harmlose Bauarbeiter verfolgt werden, die ihr Feierabendbier (und Bauarbeiter haben manchmal wirklich um Elf Uhr morgens Schluss) gemütlich in den U-Bahn vernaschen? Dieselbe Liberalität gilt übrigens auch für kräuterige Substanzen in der Stadt, leider aber bisher wohl nicht im ÖPNV.

Ich könnte noch viele weitere Eigenheiten Berlins aufzählen, angefangen von Straßenmusikanten, die ihr Akkordeon falschrum halten, Motz-Verkäufern, die leider ihre Motz vergessen haben oder Currywurstbuden, die es sich leisten, gefühlt einmal pro Woche für zwei Stunden zu öffnen und es dann trotzdem schaffen, ihre Kunden so richtig schön anzumachen.
Doch heute soll es um die Tradition gehen, am 1.Mai bzw. dem Tag davor ordentlich Ärger zu machen. Nicht, dass die Polizeipräsenz mit 7000 Mann höher ist, als an irgendeinem anderen Tag im Jahr, nein, an diesem Tag sind die Beamten auch zu allem bereit. Man könnte wahrscheinlich mit einem Joint, betrunken mit dem Handy am Ohr freihändig fahrradfahrend an einer Kohorte grüner Freunde vorüberfahren, es würde sie nicht aus der Ruhe bringen. Denn am 30.4./1.5. hat unser Freund und Helfer ganz andere Probleme. Er rüstet sich für Steine, Flaschen, tätliche Angriffe; es ist von Glück zu reden, dass die linksextreme Szene keinen Zugriff auf libysche Militärdepots hatte. Aber das ist genau der Punkt. Wenn ich randalieren würden wollte, dann würde ich das am 2.5. tun. Ich würde mich aber nicht in schwarz hüllen und dahin gehen, wo die anderen Vollidioten seit 25 Jahren auch hingehen. Wer am Kotti am 1.5. etwas kaputt machen will, hat sie einfach nicht alle. Da kann der Monarch über dem Kaiser(s) nur das bekrönte Haupt schütteln.

Was macht der kluge Berliner am Tag der Arbeit? Jedenfalls nicht arbeiten. Er holt sich auf dem Tempelhofer Feld einen fiesen Sonnenbrand oder/und besäuft sich am Görli. Er genießt, das Röcke und Hosen des Wetters wegen kürzer werden. Und dass die omnipräsente Polizei vielzu beschäftigt ist, ihn anzuhalten, weil er über den Bürgersteig mit dem Rad gurkt. Wenn er dann allerdings, übermütig von übermäßigem Alkoholgenuss gegen eine Bürgersteigkante brettert und einen filmreifen Salto hinlegt, darf er sich über Gelächter der Gendarmen nicht wundern. Sind eben auch nur Berliner, die gerne saufen würden.

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