Samstag, 8. September 2012

Mein Freund und ich

"Tom*, es war ein voll schöner Abend mit dir, [...] ich möchte dir meinen Freund Chris vorstellen!" Sätze wie dieser hasst ja jeder Solo-Mann. Leider musste ich sie in letzter Zeit recht häufig hören. Nun ist es nicht so, dass die verbotenen Früchte für mich gänzlich uninteressant wären, aber sie führen bei mir doch meistens zu einem spontanen Nachlassen an Interesse für die betreffende Person.
Gestern erklang dieser verheißungsvolle Satz erneut in meinen Hörmuscheln. Zum Glück hatte ich im Laufe des Abends bereits erfahren, dass ein Chris im Spiel ist und damit meine Ambitionen bereits begraben. Nachdem die bei mir eingefallenen Hunnen sich über meine Alkoholvorräte hergemacht hatten und ich tiefe Kehle zum bösen Spiel gezeigt hatte, war die Stimmung gut genug, um noch in eine Tanzwirtschaft weiterzuziehen. Dort stießen zu unserer Truppe noch einige Herren dazu, wovon der eine jener besagter Herr war, der mir letztes Silvester ein anvisiertes Weib direkt vor der Nase weggeschnappt hat. Er, ein eingebildeter Zehlendorfer Jura-Schnösel erster Güte, schien offensichtlich da weitermachen zu wollen, wo er letztes Neujahr aufgehört hatte, jedenfalls war er ziemlich angeschärft auf die kleine. Was ich ja grundsätzlich auch war, ein zwischenzeitliches Treffen noch zu Zeiten der Fußball-EM hatte mir ja gezeigt, dass ihr das prinzipiell genauso ging; im Verlauf des gestrigen Abends bestätigte sich das auch nocheinmal. Während die Elektrobeats pumpten und sich der Paragrafen-Graf mit seiner Gelfrisur über mein eigentliches, aber schon abgeschriebenes Ziel hermachte, sinnierte ich einmal mehr über verpasste Gelegenheiten und bemühte mich, alles galant wegzugrinsen. Er versuchte derweil, ihr ein wenig die Taillie zu kneten (wenn ihn da mal nicht die dicke Rolex in die Quere kam) um sich weiter nach oben zu arbeiten, jedenfalls soweit ich das aus dem Augenwinkel mit Schwipps im Blut beurteilen konnte. Rache nehmen, dachte ich, das wäre schön. Musste ich aber nicht. Denn ich hatte meinen inneren Reichsparteitag (Und an dieser Stelle möchte ich diese zweifelhafte Metapher bewusst verwenden, weil sie mein niederes, diabolisches Gefühl am besten beschreibt, das ich in diessem Moment verspürte als süße Rache mein Grinsen plötzlich authentisch machte) als der echte, hühnennhafte Chris auftauchte und Ralph-Lauren-Richkid jäh zurückweichend den schönsten Satz hörte, den ich mir nur vorstellen kann: "Ich möchte dir meinen Freund Chris vorstellen!".

Mr. LoverLover alias Alexander Markus zog sofort ab. Seine Freunde entschuldigten sich, die Geschichte habe ihn insgesamt sehr getroffen, sie wollten noch in eine Bar weiterziehen.Von da an war die Party einfach nur noch gut. Chris ist übrigens ziemlich cool. Ich gehe bald mal mit ihm ein Bier trinken.

*Name von der Redaktion geändert

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