Eine gute Planung ist das A und O einer jeden Unternehmung
bei der hohe Verluste zu erwarten sind. Sei es das eigene Ego, wenn es darum
geht einem hübschen Fräulein den Hof zu bereiten oder sei es das Haushaltsinventar
beim Umzug in die neue Wohnung . Die größte Gefahr steckt meiner Erfahrung nach
immer hinter einem zu großen persönlichen Ehrgeiz.
Die veranschlagten zwei Stunden für den gesamten Transport waren
leider viel zu optimistisch. Deshalb wurde ich gezwungen, meinen von mir für die
angedachte Zeitspanne reservierten Transportwagen, überraschend und unverzüglich
zurückzugeben. Getrieben von blanker Angst vor den unverhältnismäßig hohen Strafgebühren
bei Verzug, reichte ich den Wagen mit Vollbremsung und einem noch halb beladenen Kofferraum am
Rückgabeort ein. Nicht nur, dass ich nun völlig unmotorisiert mit meinem Kram
in der Pampa stand, es waren zudem sowohl Bett als auch Sofa in der alten Wohnung
zurückgeblieben. Zum Glück kenne ich einige gutmütige Zeitgenossen und es wurde
mir rechtzeitig vor Anbruch der Nacht noch eine Luftmatratze überbracht.
Auf dieser Matratze lebte ich zwei Wochen, in einem Zimmer,
welches zunächst so spärlich eingerichtet war, dass selbst ein hartgesottener Purist
beim Anblick der gähnenden Leere wohl lieber zum Messie mutiert wäre als sich
selbst auch nur für einen Moment dieser bedrückenden Kargheit auszusetzen. Dessen
nicht genug, wurde laut Aussage meines Internetanbieters mein Modem gerade erst
in Malaysia zusammengeschraubt und angesichts des mir zugesagten Liefertermins
musste ich davon ausgehen, dass man die Logistik soeben komplett auf Fahrräder,
Esel und Bollerwagen umgestellt hatte. So befinde ich mich auch zum jetzigen
Zeitpunkt informationsmitteltechnisch nach wie vor auf dritte Welt Niveau.
Kaum hatte ich einige Minuten alleine in der Wohnung verbracht,
setzte auch schon die Depression ein. Natürlich hatte ich bedacht meine emsigen
Umzugshelfer angemessen für ihre Mühen zu entlohnen und so war mein einziger
wenn auch unzureichender Trost ein Kühlschrank voll mit halbleeren Bierflaschen
und abgeknabberte Pizzastückchen, die sich bis jetzt übrigens ganz gut
gehalten haben. Glücklicherweise hat die Wohnung keinen Balkon. Ansonsten hätte
wohl akute Suizidgefahr bestanden.
Weil es der liebe Gott, beziehungsweise der Suffkopp Bacchus,
aber so gut mit mir meint, spielte er mir die Gelegenheit zu, dem in Stuttgart
ansässigen A.S. einen Besuch abzustatten, wo, es war schließlich Oktober, das Oktoberfest
stattfand. Im Gegensatz zu einer weiteren süddeutschen Ethnie haben die Schwaben
gelernt, bestimmte Zeiträume den entsprechenden Monatsnamen zuzuordnen. Auf
jeden Fall bestand Aussicht auf überschwenglichen Bierkonsum und so scheute
auch Ben* Weg und Menschen nicht und trat die beschwerliche Reise an. Nach
seinen eigenen Aussagen bezieht sich „beschwerlich“ hauptsächlich auf die
ersten Augenblicke der Fahrt, während denen er seinen Platz im Bordbistro noch
nicht bezogen hatte. Warum die weiteren Blogautoren an Präsenz mangeln ließen
bleibt bis dato rätselhaft, allerdings lässt sich aus Accelzios letztem Eintrag
schließen, dass es ihm nicht gelungen ist, auf die Schnelle genug
Fischbrötchen aufzutreiben.
Auch wenn die mediale Berichterstattung es nicht
widerspiegelt, die Menschen in Stuttgart haben ein breites kulturelles Interessenfeld,
welches sich keinesfalls ausschließlich auf Kopfbahnhöfe beschränkt. Stuttgart
hat allenfalls ein Imageproblem. Nach dem bundesweiten Erfolg der "Wir
können alles! - Außer Hochdeutsch" - Kampagne sind die PR-Berater im Stuttgarter
Landtag leider zu dem Trugschluss gelangt, bereits auf dem Zenit ihres Schaffens
angekommen zu sein und haben von da an nur noch zufrieden im Stuhl gewippt.
Doch vermutlich ist ihr trügerisches Nichtstun nur ein
weiterer ihrer genialen Marketing-Coups. Seien wir doch ehrlich. Wie viele frischverliebte
Paare gehen nach einem ernüchternden Wochenende in Paris getrennte Wege, weil
das Steak tartare am Boulevard Saint-Germain doch nicht so viel besser schmeckt
als das rohe Gammelfleisch vom Metzger um die Ecke. Wie viele alteingesessene Eheleute
sitzen verzweifelt im Flug zurück aus New York, weil ihnen das MoMA auch nicht
mehr geben konnte als das daheim im Wohnzimmer ausgestellte Gekrakel ihres erstgeborenen
Kindes. Wie viele gutgläubige Sextouristen sind betrübt, weil die Nutten in
Thailand doch nicht alle minderjährig sind. Wie viele Schweizer Landsleute kauen
mir jammernd ein Ohr ab, weil man bei Curry 36 doch nicht die beste Currywurst
der Welt bekommt und die Busfahrer der BVG ja doch freundlich und hilfsbereit
sind (allein die S-Bahn ist zuverlässig scheiße). Von Stuttgart wird man nicht
enttäuscht! Wer Stuttgart verlässt, ist so voll von unerwarteter Euphorie, dass
wahrscheinlich nur die versehentliche Einnahme eines randvollen Sacks Opiate
einen vergleichbaren Effekt hervorrufen könnte.
A.S. erwies sich als ein wahrer Kenner der Stuttgarter Hip
Hop-Szene, die, man muss das leider etwas relativieren, die einzig vorhandene Szene
überhaupt ist. Dessen ungeachtet brachte er uns von einer Tanzbar in die
nächste, wo es an guter Laune und durstigem Klientel in keinem Falle mangelte. Wir
beendeten den Abend standesgemäß und legten uns nach einer glorreichen und
extrem intensiven Kneipen- und Tanzbetriebtour schlafen, nicht ohne auf einen letzten
zugegeben etwas übereifrigen Absacker verzichtet zu haben.
Bereits wenige Stunden später waren wir im Festzelt auf dem Wasn.
Nie zuvor hatte ich derart Mühe beim Trinken und nie mehr lass ich mir vorhalten,
dass das vorsätzliche Pegelsaufen ja nur ungleich mehr erfordert, als die Fähigkeit,
wach zu sein. Selten habe ich an einem Samstag morgen so hart gearbeitet. Auch das
zweiten Bier lief noch zäh. Na gut, ab dem dritten ging es dann wieder besser,
und danach war es eh schon wieder gut. Aber nie zuvor bin ich an einem Samstagabend bereits um neun ins Bett gefallen. Der kurz vor Aussetzen der Kräfte
getätigte Großeinkauf Whisky Cola zeigt, dass der Vorsatz um elf abends wieder
aufzustehen und weiterzufeiern durchaus ernst gemeint war. Nichtsdestotrotz sah
man sich erst um elf am nächsten Morgen wieder. Ausgeschlafen und fast ohne Kater.
Man verabschiedete sich von dem großartigen Gastgeber A.S.
und zog im Zug gen Nord und Süd. Der Kopf war dumpf und leer und der Blick ging
hinaus aus dem Abteilfenster. Und während die Landschaft an einem
vorbeiblätterte wie ein endloses aber irgendwie sinnloses Daumenkino, ließ man
das Stuttgarter Wochenende noch einmal im Geiste Revue passieren und vermerkte,
diese Stadt im Bekanntenkreis herzlich weiterzuempfehlen.
Kurz nachdem ich wieder in mein frischbezogenes Züricher
Schlupfloch zurückgekehrt war, ereilte mich eine schwere Erkältung. Aus der Befürchtung
heraus, die Krankheit könnte psychisch bedingt sein, verschönerte ich die Wohnung
schnell mit zwei Postern und kaufte einen Besen. Die Besserung blieb aus. Ich
überlegte ernsthaft zum Arzt zu gehen. Leider hatte ich wenige Tage zuvor,
zufällig, als ich meine neue Adresse durchgab, von meiner Krankenkasse
erfahren, dass ich seit Dezember 2011 unversichert war, weil ich versäumt
hatte, eine Rechnung zu bezahlen. Meiner Meinung nach beispiellos stark, dass
es keiner für nötig hielt, mich über diesen vielleicht doch nicht ganz
uninteressanten Umstand zu informieren.
Aber wer braucht schon fachkundige Rezepte. Ich kaufte in der
Apotheke erstmal alle möglichen pflanzlichen und chemischen Stoffe und mixte mir
ein paar zünftige Tablettencocktails. Ebenfalls erprobte ich eine 0.9 prozentige
Natriumchloridlösung, mit der man die Nase spülen konnte, welche aber laut Beipackzettel
auch für einen Großteil weiterer Körperöffnungen bestens geeignet gewesen wäre.
Zu meiner Unzufriedenheit hatte ich nicht nur den anlässlich
der bevorstehenden Schließung der Olé Olé Bar organisierten Biermop verpasst,
es stand auch eine zweitägige Party bevor, zu der auch ein vielgelobter Kreuzberger
Künstler sein Handwerk beigeben sollte. Ein gesundheitlicher Umschwung war
nicht nur begrüßenswert sondern zwingend erforderlich.
Auch wenn ich das zuletzt erwähnte Ereignis am Ende immer
noch sehr angeschlagen durchlebte, war ich mit meinem Heilungsprozess halbwegs
zufrieden und verweise an dieser Stelle wieder einmal auf die neben allerhand
Pillen nicht zu unterschätzende therapeutische Wirkung von Ben‘s Blog
hinsichtlich des körperlichen und geistigen Wohlbefindens.
Kleiner Nachtrag zu meiner Bahnfahrt von Stuttgart zurück nach Berlin:
AntwortenLöschenIch hatte eine Sitzplatzreservierung und stellte freudig fest, dass neben meinem Fensterplatz ein echt süßes Mädel saß. Kaum hatte ich es mir auf meinem Platz gemütlich gemacht und das Buch, das sie gerade las gegoogelt um ein Gespräch anfangen zu können, nahm ich den Geruch von schalem Bier war. Es war wahrlich nicht sehr klug in der gleichen Jeans mit der ich auf dem Wasn war, nach Hause zu fahren. Das Mädel drehte sich kurz später demonstrativ von mir weg und es wurde die ganzen 6 Stunden kein einziges Wort gewechselt. Ich hab wieder was gelernt: Ab nun geht die Tendenz eindeutig in Richtung Zweithose ;-).