Sonntag, 30. September 2012

Eingeschränkt empfehlenswert

Im vergangenen Jahr bin ich nach Portugal geflogen, der Flug fand sehr früh am Morgen statt und ich war am Abend vorher mit Axel relativ heftig feiern. Aus 2 / 3 Bierchen wurde ein regelrechtes Gelage und ich habe den besagten Flug noch völlig verstrahlt angetreten. Nach anfänglichem Unbehagen, ausgelöst durch in Wellen auftretender Übelkeit, war dies der beste Flug, den ich je hatte. Ich bin 5 Minuten nach dem Abheben eingeschlafen und erst in Faro während des Landeanflugs aufgewacht. Die Zeit verging mal wirklich wie im Flug.

Diese Erfahrung hat mich veranlasst eine kleine Versuchsreihe (n=3) durchzuführen. Diese ist nun abgeschlossen und ich möchte an dieser Stelle meine Erfahrungen teilen. 

Versuch 1: 
Parameter: 3,5 h Flug, Dichtheitsgrad 3 von 5, Schlafzeit 3,5 h  
Es ging wieder nach Portugal und ich war am Vorabend wieder mit Axel unterwegs. Diesmal wurden aus 2 / 3 Bierchen ein Besuch des berühmt berüchtigten Club Lupita. Ich habe ungefähr die Hälfte des Fluges geschlafen und es ging mir relativ gut. Mir war unangenehm, dass mein Sitznachbar von meinen Katerausdünstungen belästigt wurde.  

Versuch 2:
Parameter: 2 h Flug + 2 h Bus und Fähre, Dichtheitsgrad 3,5 von 5, Schlafzeit 3 h 
Wir sind von Schönefeld nach Kroatien geflogen und irgendein Depp hat sich vor einen Zug auf der Bahntrasse nach Schönefeld geworfen. Es sind keine Züge mehr Richtung Flughafen gefahren und wir mussten uns von Ostkreuz aus ein Taxi organisieren. Da wir jedoch nicht die Einzigen mit diesem Plan waren, wurde die Zeit sehr knapp. Am Ende haben wir es auf die Minute genau geschafft den Flug zu bekommen. Wir mussten dann anderthalb Stunden im Flugzeug warten, da wiederum irgendein anderer Depp sein Gepäck abgegeben hatte, sich jedoch nicht an Bord befand. Das Gepäckstück konnte nicht gefunden werden und wir mussten Alle raus um unser Gepäck zu identifizieren. Durch die Verspätung haben wir in Kroatien fast die letzte Fähre verpasst. Meine Nerven waren während der Reise durch den langsam einsetzten Kater nicht all zu strapazierfähig und ich war unglaublich genervt und schlecht gelaunt, dass alles so chaotisch war.

Versuch 3:
Parameter: 6 h Zugfahrt, Dichtheitsgrad 4 von 5, Schlafzeit 1,5 h
Es ging nach Holland und ich war mit Melli und einer Handvoll Freunden im Kater Holzig. Dadurch, dass der Bruder von einem DJ der da auflegte unter den Freunden war, kamen wir nach einer anfänglichen Abweisung durch den Türsteher, doch rein und es war eine grandiose Party. Ich sagte ungefähr 8 mal allen Anderen Tschüss um dann doch immer noch ein bisschen weiter zu feiern. Ich habe im Vollrausch meine Sachen gepackt und zu meiner großen Überraschung NICHTS vergessen. Die Zugfahrt war wirklich in Ordnung, nur Maaike fand es nicht so super, dass ich nicht sonderlich gesprächig war. Ich befand mich die gesamten 6 Stunden in einem Zustand von angenehmer Müdigkeit und schlief ein paar Mal für eine halbe Stunde. 

Versuchsauswertung:
Es läuft leider nicht immer so glatt wie bei der Reise im letzten Jahr, generell kann ein noch betrunkene / katerige Fahrt die Reisezeit aber verkürzen. Wenn es komplizierte Reisewege sind, ist es nicht sinnvoll am Vorabend Party zu machen, da stressige oder unvorhergesehene Situationen ganz furchtbar werden können, wenn man das Gegenteil von fit ist. 

Der größte Vorteil ist, dass man den Abend vorher richtig gut (und sinnvoll) nutzten kann. Beim Reisen verliert man ja fast immer einen ganzen Tag, da muss man den Abend vorher nicht auch schon opfern. Ich werde in Zukunft meine Vorabendgestalltung an der Komplexität der bevorstehenden Reise orientieren.    

Samstag, 29. September 2012

Wetten, dass Harzer Käse doch schmeckt?

ZuBu aalte sich noch mit Freundin und seiner Ladiesmaschine an Bruder an der kroatischen Mittelmeerküste, jAm stellte in Jerewan einen neuen Rekord im Abspacken auf, wenn er sich nicht gerade im Züricher Olé prügelte, als es mich in Berlin packte. "Ich muss in die Natur", dachte ich mir und so fragte ich Ben* und seine Angetraute, ob sie mich begleiten wollten, einen Tag im Harz wandern zu gehen. Es war ein wunderschöner Morgen, als wir bei aufgehender Sonne im Zug Richtung Wernigerode saßen. Die Temperatur sollte an diesem Tag in Berlin knapp die 30 Grad Celsius erreichen, im Mittelgebirge würde es durch Wald, Wasser und die Höhe nur ein wenig kühler sein. Perfekt, um vor dem Herbst nochmal einen richtigen Sommertag in der Natur zu genießen.
In der Tat wurde es ein wunderbar erholsamer Tag mit viel ernsten sowie sehr albernen Gesprächen, tollen Ausblicken in teilweise noch unberührter Natur und dem guten Gefühl, mal nicht von Menschenmassen wie in der Stadt umgeben zu sein, sondern von Fuchs, Elster und einer reichen Pflanzenwelt.
Wir waren den ganzen Tag unterwegs und mittlerweile erschöpft wieder an unserem Ausgangspunkt in Wernigerode angelangt. Man stärkte sich in einem Gasthof auf der Terrasse. Wie häufiger schon an diesem Tag entglitt unser Gespräch mal wieder, Thema war, ob es Heterosexuelle leichter bei der Partnersuche hätten als Homosexuelle. Eigentlich ja, war die einhellige Meinung, jedoch, waren wir uns sicher, kommen Homos unter sich garantiert schneller zur Sache. Beispielsweise, hob Ben*s Freundin an, gebe es ja für warme Brüder das sogenannte "Gay-Radar" oder "Gaydar". Man könne mit dieser praktischen App jederzeit sehen, wo sich andere Hinterlader abschussbereit aufhielten. Da nur einer von uns dreien am Tisch über ein Cyberphone mit Internetzugang verfügte, fragte ich Ben*, ob er nicht einmal probeweise das Gaydar installieren wolle. Natürlich konnte dieser sich über seine berüchtigte Homophobie nicht hinwegsetzen und er verneinte die Idee, wenigstens mal zu schauen, wieviele Homos sich in Wernigerode aufhielten, höflich aber bestimmt. Wir diskutierten noch einen Moment. Vom einen auf den anderen Augenblick machte Ben* einen verhängnisvollen Vorschlag: Ich solle mich bei einer Singlebörse anmelden und mich mit drei Frauen treffen, dann melde er sich beim "Gaydar" an.

Ich zögerte einen Moment. Dann nahm ich mit einem Handschlag unter den Augen der Zeugin die Challenge an. Gesagt, getan. Ben* begann sofort das Gaydar herunterzuladen.

Das installierte Gaydar entpuppte sich als ein recht enttäuschendes Programm. Es zeigte weder eine Karte mit heißen schwulen Punkten an noch eine Liste mit ManLovern aus der Region. Stattdessen wurden uns die ganze Zeit portugiesische Homoboys vorgeschlagen. Wir hatten viel Spaß dabei, auf den vierhundert Jahre alten Rathaustreppen zu sitzen und ihre Profile durchzulesen. Lissabon und Madeira schienen regelrechte GayHeaven zu sein. Aber da waren wir nicht. Später, schon wieder auf der Rückreise in die Reichshauptstadt, beschlossen wir, dass beizeiten nochmal ein anderes, besseres Gaydar heruntergeladen würde. Ben*s Teil der Wette war noch nicht erfüllt.

Aber meiner auch nicht. Mein erster Versuch ist hier. Ich gebe zu, der Begrüßungstext ist noch ein wenig unbeholfen, an den Fotos kann man noch was machen und die Interessen sind mit Paragliding doch eher weit gefasst. Aber die Challenge ist accepted und die Mission läuft. Darf ich vorstellen: Riccard!


Ich bitte euch um äußerste Diskretion! Das ganze ist eine Wette und soll es auch bleiben. Ich werde euch auf dem Laufenden halten. Bis meine Lernphase vorbei ist, wird ersteinmal mein Profil angepasst. Ab dann werde ich die Erfüllung meiner Wettschuld aktiv angehen. Dasselbe werden wir dann auch von Homofürst Ben* erwarten.

Dienstag, 25. September 2012

Die Hatebox


Ich habe kürzlich die Erfahrung gemacht, dass es neben in Jemen ansässigen Moslems eine weitere Personengruppe gibt, die ebenfalls extrem zuverlässig auf Provokationen reagiert. Es handelt sich hierbei um das Publikum in der Olé Olé Bar. An einem der letzten Wochenenden hatte ich nämlich das Vergnügen, einen Platz vor der Jukebox in dem genannten Etablissement zu erhaschen. Ein gewisser Herr Wolf W., bei den Koautoren bereits im Sommer dieses Jahres in Berlin, vorstellig geworden, war ebenfalls anwesend. Abgesehen von uns selbst bestand die Meute hauptsächlich aus harten Kerlen. Und harte Kerle hören bekanntlich harte Musik. Dennoch war die Auswahl der Box eher stildurchwachsen und kontrastreich. Sogar einige regionale Musikgrößen wie "Gotthard" oder "Züri-West" hatten mit ihrer Scheibe einen ehrenvollen Platz in dem Kasten gefunden. DJ Bobo hat es allerdings mal wieder nicht geschafft. Da es keine Ladies gab, die spezielle Beobachtung bedurft hätten, galt unsere Aufmerksamkeit bald voll und ganz der Box, die keinesfalls übertrieben, den Namen „Fascination“ trug.
Der recht massive Block stand direkt neben dem Eingang in einer Ecke. Sobald man auf den bereitgestellten Hockern Platz gefunden hatte, war die größte Hürde bereits genommen. „Faschi“ spielte nun standardmäßig eine Playlist, von der man vermuten darf, dass sie eine der Bar zugehörige Person aufgesetzt hat. Gegen Entrichtung eines Entgeltes war es möglich eine eigene Musikabfolge einzustellen, die dann in die Standard-Playlist integriert wurde. Es musste leider bemängelt werden, dass man dadurch nur auf etwa jedes fünfte Lied Einfluss nehmen konnte. Vermutlich eine gewollte Maßnahme, um den sich wiederholenden Missbrauchsfällen entgegenzutreteten. Lobenswert hingegen war der Umstand, dass die Box, die an sich eine eher verhaltene Klangperformance aufwies, an zusätzliche Lautsprecher angeschlossen war, so dass selbst den Leuten im Sanitärbereich, eine stilvolle musikalische Begleitung geboten werden konnte. Die Standard Playlist sah ungefähr so aus:

Metallica: Seek and destroy
Midnight oil: Beds are burning
Alice cooper: Poison
Van halen: Jump
AC/DC - Hells bells

Um meinen selbstkritischen Blick auf die eigene Plalylist widerzuspiegeln, ist die Stimmungstauglichkeit der einzelnene Titel entsprechend der Mickie Krause Prozentskala quantifiziert. (Nicht zu verwechseln mit der Harald Juhnke Promilleskala)

- Amy Winehouse: Love is a losing game  (0 Mickie Krause Prozent Punkte, Einstellung erfolgte durch fehlerhafte Gerätebedienung)
- Abba: Dancing Queen (40 MKPP)
- Bob Marley: Buffalo Soldier (20 MKPP)
- Rymann Ruedi (Seine grössten Jodel-Erfolge): Der Michel Sepp  (100 MKPP)
- Village People: YMCA (80 MKPP)

Es ist erstaunlich wie schnell Menschen auf Musik aufmerksam werden, wenn sie außerhalb des von ihnen tolerierten Spektrums liegt. Das bislang schlummerndene Gewaltpotential der Barinsassen wurde ersichtlich, als unsere persönliche Playlist bereits eingestellt und bezahlt war. Gleich nach "Love is a losing game" brach die erste Kritikwelle über uns ein, was bedeutet dass sich hinter uns eine gut gebaute, aber nichts Gutes verheißende, Reihe Mannsbilder gebildet hatte. Diese bat uns recht eindringlich, dieses Lied nicht nochmal zu spielen. Zugegeben, die Kritik war berechtigt. "Love is a losing game" ist ein echter Stimmungstöter und wenn überhaupt dann als Rausschmeisser zu gebrauchen. Interessanterweise wusste niemand, dass wir keine volle Kontrolle über die Maschine erlangen konnten, und deshalb ernteten wir auch einige lobende Blicke, "I likes", und Schulterklopfer, immer wenn „Faschi“ nicht gerade unsere parasitäre Liedfolge abarbeitete. Zwei Cougars, prosteten uns befriedigt zu, als Rammsteins „Feuer frei“ erschallte. Später, nachdem einige mit dem Apparat vertraute, Stammgäste trotzdem bemerkten, dass wir ausschließlich versuchten, den allseits akzeptierten Musikgeschmack zu untergraben, wurden wir abrupt nicht länger geduldet. Man drängte sich zwischen uns und die Maschine und verweigerte uns so deren weitere Bedienung.

Auch wenn sich eine gewisse destruktive Motivation nicht ganz leugnen lässt, denke ich dass ein Großteil der von uns eingespielten Lieder in einem musikalisch aufgeschlossenen Kreis Gefallen hätte finden können. Und was für Sämtliches, die Sinne reizende zutrifft, gilt natürlich auch für Musik. Denn abgesehen von einigen Ausnahmen, die sich partout nicht tragbar saufen lassen, hilft ein gesunder Pegel meistens, anfänglich exotisch wirkendes Material, attraktiv erscheinen zu lassen. Doch anstatt nun konsequenterweise einfach etwas öfter zum Glas zu greifen, entscheiden sich manche Personen eben doch lieber dazu, schlechte Laune zu schieben. Selbst dann, wenn ihnen alkoholische Konsumgüter nicht kategorisch verwehrt sind. Von diesem schockierenden Erlebnis musste ich erst einmal runterkommen. Zu Hause nahm ich sofort einen Stift und ein Blatt und zeichnete viele kleine vollbärtige Männchen mit Turban, die mit ihren Kamelen Schindluder trieben.

Sonntag, 23. September 2012

Wespennest

Prinzipiell halte ich mich für einen sehr toleranten Menschen. Ich hoffe, ihr, werte Leser, würdet meine liberale Einstellung bestätigen. Doch wer wie ich gerade einen Absatz auf diese Weise beginnt, möchte ihn freilich mit einem "Aber" fortsetzen. Damit meine ich an dieser Stelle einmal nicht meine vollkommen berechtigte Ignoranz gegenüber Gruppen wie Glatzen, Islamisten, Rechts- oder Linksextremen, Anarchisten, Spaßbremsen, Humorfreien, Antialkis, Alkis, Vegetarierinnen, mit denen ich eine Affäre habe und bevor ich diese treffe, stets noch aus Prinzip Döner fresse selbst wenn ich keinen Hunger habe, Motzverkäufer, die trotzdem Hartz IV beziehen und das Geld in Drogen investieren, Polizisten, die Kiffer festsetzen, aber Serientäter wie Benstar laufen lassen. Nein, gegenüber diesen Kreisen bin ich (mehr oder minder -denn der Autor hat sich hier ein bischen zu Übertreibung hinreißen lassen-) wirklich intolerant. Ich meine heute eine andere Spezies, die schätzungsweise bis zu 10% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Dazu muss ich eine kleine Geschichte erzählen.

Vergangenen Freitag reiste ich mit Süffke-Tours (s.u.) in die Hansestadt Hamburg, um eine Lernpause einzulegen und auf der Feier eines Freundes zu erscheinen. Ein alter Freund von mir, mit dem gleichen Namen gesegnet wie Ben* im richtigen Leben.
Süffke-Tours ist übrigens ein besonderes Unternehmen, das seine im Namen erkennbare Sendung sehr ernst nimmt, denn Aufschärfen gehörte selbstverständlich zur permanten Aufgabe aller Mitreisenden. Jäkel und ich nahmen uns dem mit Hingabe an. Wir lernten einige neue Leute kennnen, mit denen wir, mittlerweile am Hamburger Hauptbahnhof angelangt, auch die obligatorische Friedenspfeife rauchten.
 
Flugs Bier gekauft, zogen wir uns auf ein Baugerüst, Ebene Fünf in Langenfelde zurück, um uns intesiver zu besprechen. Hier bemerkten wir, dass wir uns noch immer gefährlich trocken fühlten. Ein Rewe auf dem Weg wurde als vorrübergehendes Etappenziel definiert. Mit Partyfass bewaffnet eierten wir weiter auf die Party. Die Party wurde gerockt, nur leider war der Rock selbst, im Sinne des Kleidungsstückes, dort eher unterrepräsentiert. Wäre die Schlägerei mit Polizeieinsatz zum Schluss nicht gewesen, ich hätte die Feier hier nicht einmal erwähnt. Aber einige Leute dort zu sehen und der Genuss von Kartoffelchips waren es allemal wert.
Zwei weitere Besprechungen später, getreu unserer Tradition für ungewöhnliche Besprechungsorte eine auf einer umbrausten Verkehrsinsel, eine an einem Bahndamm neben der Stromschiene, hatten wir das Fass wortwörtlich geschlachtet, Mate-Granate aufgeschärft  und beschlossen, die Reeperbahn zu suchen. Wir fanden sie nicht.
Dafür aber eine andere Party neben einer Tanke. Eine Schlange schien gutes zu verheißen. Drinnen wummerten Bässe wie auf der Fusion. Langsam kam ich wieder in mein Element. Eine junge Dame, blond, prizipiell ziemlich mein Typ, schien es auf mich abgesehen zu haben, zielstrebig tanzte sie mich an. Alle Versuche, der Situation zu entgehen, schlugen fehl, immer wieder ergriff sie mich und zerrte mich an ihren Körper. Der fühlte sich auch ganz gut an, doch neben mir wippte eine andere junge Dame mit dunklem Teint, die mich irgendwie noch mehr anzog. Ich dancte in diese Richtung. 230 Bassschläge später war ich dem Ziel deutlich näher, man tauschte Blicke aus. Ihre Freundin war auch nicht schlecht. "Aci, entscheide dich", dachte ich mir, aber verschob diese Entscheidung noch ein wenig. Fühlte sich alles gerade vielzugut an. Die Zeit verging. Ich war meinem Ziel gefühlt ziemlich nah, Uhr und Mund verrieten späte Zeit und zunehmende Dehydration. Bis die junge Dame mit ihrer Freundin zu knutschen begann. Was war das für ein Lesbennest? Ladies wie könnt ihr mir das antun? Ich hatte extra der blonden dafür entsagt!

Lesben sind meiner Meinung nach Verschwendung der Natur. Ich freue mich über jeden Homoboy (einer dancte mich später auch noch an), aber für warme Fräuleins habe ich kein Verständnis, vor allem wenn ich nur ihr Spielzeug auf der Tanzfläche bin. Gays steigern im Verhältnis die verfügbare Menge an Ladies und reduzieren die Schar an potentiellen männlichen Konkurrenten. Aber Wespen? Die fressen mir höchstens meinen Kuchen weg und lenken mich von der blonden ab.
Der Morgen ging trotzdem noch gut weiter. Im Schuppen schien Antanzen zum Standardrepertoire zu gehören, auch wenn man sich nicht sicher sein konnte, wie das nun gemeint war. Ich Maulheld war mittlerweile allerdings allmählich völlig am Ende. Musste noch den Bus erreichen, um wieder in den Lernspaß zu fahren. Wie ein Untoter im Kongourlaub wankte ich durch das helle, regnende Hamburg. Wasser tropfte auf meine Stirn, ich spürte es kaum noch. So jung und schon so kaputt.

Mittwoch, 12. September 2012

Druff am Kaukasus


Was bisher passiert ist: Mein ehemaliger Mitbewohner A. hat sich in Zürich in A. aus Armenien verliebt und sie nach nicht mehr als einem Jahr geheiratet. Wer könnte da noch behaupten die Schweizer seien nicht spontan? Nun fand also die Hochzeit in Jerewan statt wozu eine feierfreudige Gesellschaft aus der Schweiz eingeflogen wurde, derer ich erfreulicherweise ein Teil war.

Viele der Mitreisenden haben auch dem vorausgegangenen Polterwochende in Interlaken beigewohnt, bei dem ein scheinbar harmloses Trinkspiel (leider kann ich die genauen Details nicht preisgeben, da das Patentverfahren noch läuft) in eine unbarmherzige Druckbetankung ausartete, so dass der nach einer Stunde leider bereits ziemlich komatöse A. in die Notaufnahme gefahren werden musste. Eine verantwortungsvolle Tat, die ein sorgenfreies Weiterfeiern für all diejenigen ermöglichte, die sich vorgenommen hatten, ihm, wenn überhaupt, zu einem etwas späteren Zeitpunkt nachzufolgen. Zu meiner Reisegruppe lässt sich zusammenfassend sagen, dass ich bei ihr in guten Händen war.

Im Geiste dieses Forums werde ich nun meine während der Reise gesammelten Erfahrungen in dem faszinierenden Land Armenien auf die Stunden beschränken, bei denen der gefühlte Promillewert am Höchsten war. Dies entspricht dem Zeitraum während und nach der Hochzeitsfeier. Wie also darf man sich diese vorstellen? Obwohl Armenien in den Medien oftmals in der Rolle eines finanziellen Wracks auftritt, weiß jeder, der mal einige Zeit in Berlin verbracht hat, dass ökonomische und politische Randbedingungen kein Grund sind, sich den Spaß verderben zu lassen. Und weil sich die Armenier, genau wie das Volk an der Spree, das Feiern nicht verbieten lassen, sind für sie Hochzeiten ein willkommenes Ereignis, um unter Gebrauch einer ethanolbasierten Alchemie, die großen und kleinen Probleme menschlicher Existenz, in gute Laune umzuwandeln.

Neben wirklich sehr gutem und vor allem lokal produzierten Brandy (nach historisch belegten Aussagen Winston Churchill's der Beste der Welt) war auch das Essen ausgesprochen gut und umfangreich. Leider beging ich einen weit verbreiteten Anfängerfehler und hielt die Vorspeise für den Hauptgang, wodurch ich mich selbst um mindestens 100000 kcal geprellt habe. Ich bitte ein solch unvorbildhaftes Verhalten zu entschuldigen.

Meine eine Gehirnhälfte konzentrierte sich also auf das recht üppige Vorspeisenvariété. Meine andere Gehirnhälfte war damit beschäftigt eine Konversation mit meiner charmanten Tischnachbarin zu führen, die übrigens neben fließendem Englisch auch fließend deutsch sprach.Wie sich herausstellte hatte sie einige zeit in Schland verbracht, wo sie anscheinend auch ein wenig Medizin studierte hat, um sich anschließend auf das Fachgebiet der Gastroenterologie zu vertiefen. Da man nie weiß wie dick es kommt, ist es wenn man Networking konsequent betreibt, ratsam, für jede Lebenssituation einen Spezialisten im Bekanntenkreis zu haben. Ich beschloss also den mir durch die Sitzordnung zugekommenen Kontakt auszubauen.

Wie bereits gesagt bestand das Essen aus mehreren Gängen. Dem durchaus kreativen Konzept der Feier zu Folge, wurde allerdings zwischen jedem Gang zum Tanz aufgerufen. Dass niemand auf die Idee kam, unerwünschterweise sein Gespräch fortzusetzen, wurde die Musik dermaßen aufgedreht, dass jede Kommunikation zum Scheitern verdammt war. Während ich gerade noch versuchte mir die Reste Humus aus dem Bart zu putzen wurde ich von einigen Armeniern bereits aufs Tanzparkett gebracht, wo übertrieben basslastige Kaukasusmucke am Start war. Die Frauen vollführten dabei Bewegungen, die sich wohl am besten in das Genre des Aggro-Flamenco einordnen lassen. Die Tanzdarbietung der armenischen Männer, an denen ich mich geschlechtsbedingt zu orientieren hatte, glichen einer motorischen Abfolge, der ich dem Namen "Flugzeug mit Gummiflügeln und einseitigem Triebwerkausfall" gegeben habe. Ebenfalls vertreten war ein weiteres Tanzmotiv, bei dem es darum ging möglichst energisch mit den Füßen auf den Boden zu treten und mit den Händen in die Luft zu schnipsen. Hier schien mir die Bezeichnung "Pazifistischer Texaner auf Speed im Kneippbad" passend.

Da die ausgelassene Bewegung die Zunahme meines Alkoholblutpegels erschwerte, beschloss ich vermehrt Brandy und Vodka nachzuschütten. Und so nahm die Feier ihren Lauf. Später irgendwann waren alle armenischen Gäste weg. Na gut, war auch Sonntag. Auf jeden Fall fand die Feier dadurch ihren Ausklang, dass an die noch feierwilligen Personen Heliumluftballons verteilt wurden und der DJ seine Kuschelrock-CD einlegte. Zunächst blieb mir nichts anderes übrig, als mich an der Schnur meines Luftballon festzuhalten und gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Meine Tischnachbarin, die durch ihre Anwesenheit versuchte, die Würde ihrer Landsleute zu retten, amüsierte sich mit ihrem Luftballon, der mir dabei mehrmals ins Gesicht geworfen wurde. Ich blickte mich um. Meine Reisekollegen hatten sich ebenfalls gut und hochprozentig bei Laune gehalten. Aber da standen sie nun: Jeder einen Luftballon in der einen Hand, ein volles Glas in der anderen, träge hin und herschwankend wie ein Schwarm toter Fische in der Brandung. Damit dieser Abend nicht ein derart traumatisches und verfrühtes Ende nahm, musste etwas geschehen. Es war Zeit ein ernstes Wort mit dem DJ zu reden. Dieser zeigte sich jedoch ganz und gar unkooperativ und war gegen jegliche gut gemeinten Vorschläge, was Musikwahl und Lautstärke anbetraf, resistent. Ich machte aus meiner Besorgnis keinen Hehl und so erlitt die Schweizer-Armenische Freundschaft (Ich habe den DJ bezüglich meiner Nationalität in Unwissenheit gehalten) in den darauffolgenden Momenten mehrere herbe Rückschläge. Es halft nichts. Der DJ hatte inzwischen zusammengepackt und verließ den Saal.

Wir mussten weiterziehen. Auswahl bestand zwischen einigen Clubs, wobei ich mich namentlich nur an einen gewissen "Disco-Club" erinnern konnte. Trotz der einschlägigen, von viel Underground-Potential zeugenden Bezeichnung, entschieden wir uns aber für eine andere Location. Ich nutzte die Gelegenheit im Gefährt meiner persönlichen Gastroenterologin mitzufahren. Als wir an dem Club ankamen, musste ich leider feststellen, dass der DJ von der Hochzeitsparty einen Zweitjob als Türsteher hatte. Es passiert ja nun wahrlich nicht so oft, dass ich im Anzug und dazu noch mit einer Frau an der Seite in einer tanzbetrieblichen Einrichtung um Asyl bitte. Ich fragte mich, ob Gott mir irgendeine Lektion erteilen wollte, indem er es auf äußerst raffinierte Weise so einrichtete, dass ich in möglichst vielen Clubs an der Tür auf Grund lief. Vielleicht lag es daran, dass Montag morgen und der Club weitestgehend leer war, vielleicht hatte ich auch meinen Gringo-Bonus doch noch nicht ganz verspielt. Auf jeden Fall durfte ich mich an dem etwas widerwillig wirkenden "DJ-Türsteher" vorbei ins Innere schieben.

Der Club war recht überschaubar. Er bestand im Wesentlichen aus einem einzigen Raum, auf der einen Seite ein DJ, auf der anderen Seite, in einer ungefähren Entfernung von 4m, die Bar. Eine gelungene Raumaufteilung, zumal ich ein Freund von kurzen Entfernungen bin.

Mittlerweile war auch die verbliebene Hochzeitsgesellschaft eingetroffen. Um einen möglichst dekadenten Eindruck zu hinterlassen, verteilten wir Schweizer Schokolade aus einem Hanfsack, der von der Hochzeit übrig war und für dessen Größe wir wohl auch vom Weihnachtsmann Respekt geerntet hätten, sofern man ihn an der Tür vorbeigelassen hätte. In einer Gruppe Flugbegleiter von British Airways (überwiegend Männer) fanden wir dankbare Abnehmer. Die Musik war gut und laut und für  mitteleuropäischen Feiermotorik zugänglich. Trotzdem kam der traurige Moment an dem sich meine Tischdame, plötzlich aus dem wilden Treiben ausklinkte. Irgendwie muss sie wohl zu dem Schluss gekommen sein, dass eine weiteres Schritthalten mit dem allseits angeschlagenen Trinktempo der bevorstehenden Durchführung gastroenterologischer Eingriffe im Weg stand. Aus Patientensicht natürlich eine sehr begrüßenswerte Entscheidung. Eine Darmspiegelung kann auch dann schon sehr unangenehm sein, wenn die betreuende Ärztin nicht doppelt sieht.

Mir war inzwischen aufgefallen, dass die Barkeeperin wirklich unfassbar gut aussah. (Ich bin sicher, sie hätte auch nüchtern noch recht akzeptabel ausgesehen). Nachdem ich aber recht bald eingesehen hatte, dass  jede weitere Bestellung in einer Katastrophe enden würde, hielt ich mich vorwiegend in der Mitte des Raums auf. Um dem entstandenen Umsatzeinbruch entgegenzuwirken, kam das flotte Barfräulein immer wieder hinter der Bar vor, performte einige heiße Dancemoves in meiner Nähe und verschwand dann wieder hinter dem Tresen. Meiner Meinung nach moralisch intolerabel. Ein derart heimtückisches Verhalten sollte von der IGGTK (Interessengemeinschaft für eine gesittete Trinkkultur) geächtet werden.

So oder so. Ich war durch. Der Abend hatte noch ein würdevolles Ende gefunden. Wir holten C. vom Klo, welches dieser seit über einer Stunde in Anspruch nahm, und verschwanden hinaus in den Morgen.

Samstag, 8. September 2012

Fritte hat geheiratet!

Und es war super. Ihr könnt ja mal raten wo dieser Abend für ein paar von uns endete ... genau, in der Destille. Keiner von uns konnte sich vorwerfen die Open-Bar nicht ausgenutzt zu haben, aber nen Bierchen musste schon noch sein. Wir waren zu sechst und haben dann gegen 5.30 Uhr das Ding zugesperrt und kurzerhand zum Club umfunktioniert. Roodys MP3-Player war der DJ und wir haben zusammen mit den beiden Barkeepern noch nen Weilchen getanzt. We managed to enter the next level. 

Hier unser Beitrag zu der Hochzeit:






Wir dürfen uns glücklicherweise immer noch als Frittes Freunde bezeichnen ;-)

Mein Freund und ich

"Tom*, es war ein voll schöner Abend mit dir, [...] ich möchte dir meinen Freund Chris vorstellen!" Sätze wie dieser hasst ja jeder Solo-Mann. Leider musste ich sie in letzter Zeit recht häufig hören. Nun ist es nicht so, dass die verbotenen Früchte für mich gänzlich uninteressant wären, aber sie führen bei mir doch meistens zu einem spontanen Nachlassen an Interesse für die betreffende Person.
Gestern erklang dieser verheißungsvolle Satz erneut in meinen Hörmuscheln. Zum Glück hatte ich im Laufe des Abends bereits erfahren, dass ein Chris im Spiel ist und damit meine Ambitionen bereits begraben. Nachdem die bei mir eingefallenen Hunnen sich über meine Alkoholvorräte hergemacht hatten und ich tiefe Kehle zum bösen Spiel gezeigt hatte, war die Stimmung gut genug, um noch in eine Tanzwirtschaft weiterzuziehen. Dort stießen zu unserer Truppe noch einige Herren dazu, wovon der eine jener besagter Herr war, der mir letztes Silvester ein anvisiertes Weib direkt vor der Nase weggeschnappt hat. Er, ein eingebildeter Zehlendorfer Jura-Schnösel erster Güte, schien offensichtlich da weitermachen zu wollen, wo er letztes Neujahr aufgehört hatte, jedenfalls war er ziemlich angeschärft auf die kleine. Was ich ja grundsätzlich auch war, ein zwischenzeitliches Treffen noch zu Zeiten der Fußball-EM hatte mir ja gezeigt, dass ihr das prinzipiell genauso ging; im Verlauf des gestrigen Abends bestätigte sich das auch nocheinmal. Während die Elektrobeats pumpten und sich der Paragrafen-Graf mit seiner Gelfrisur über mein eigentliches, aber schon abgeschriebenes Ziel hermachte, sinnierte ich einmal mehr über verpasste Gelegenheiten und bemühte mich, alles galant wegzugrinsen. Er versuchte derweil, ihr ein wenig die Taillie zu kneten (wenn ihn da mal nicht die dicke Rolex in die Quere kam) um sich weiter nach oben zu arbeiten, jedenfalls soweit ich das aus dem Augenwinkel mit Schwipps im Blut beurteilen konnte. Rache nehmen, dachte ich, das wäre schön. Musste ich aber nicht. Denn ich hatte meinen inneren Reichsparteitag (Und an dieser Stelle möchte ich diese zweifelhafte Metapher bewusst verwenden, weil sie mein niederes, diabolisches Gefühl am besten beschreibt, das ich in diessem Moment verspürte als süße Rache mein Grinsen plötzlich authentisch machte) als der echte, hühnennhafte Chris auftauchte und Ralph-Lauren-Richkid jäh zurückweichend den schönsten Satz hörte, den ich mir nur vorstellen kann: "Ich möchte dir meinen Freund Chris vorstellen!".

Mr. LoverLover alias Alexander Markus zog sofort ab. Seine Freunde entschuldigten sich, die Geschichte habe ihn insgesamt sehr getroffen, sie wollten noch in eine Bar weiterziehen.Von da an war die Party einfach nur noch gut. Chris ist übrigens ziemlich cool. Ich gehe bald mal mit ihm ein Bier trinken.

*Name von der Redaktion geändert

Montag, 3. September 2012

Die anderen um uns herum

Heute sollen einmal alljene zu Wort kommen, die bislang in diesem Blog schweigen mussten. Während wir Möchtegern-Hipster ständig von funkigen Parties aus Berlins Herzen berichten, wissenschaftliche Abhandlungen des männlichen Frontspoilers veröffentlichen oder die Größe des Ethanols beschwören, sind sie mitten unter uns und doch nie dabei. Da ich in Berlin Prenzlauer Berg praktisch Tür an Tür mit diesen Gestalten wohne (strenggenommen tut ihr das mit Sicherheit auch), möchte ich ihnen diesen Eintrag widmen. Den Zurückgelassenen, den Ausgeblendeten, meist älteren, oft einsamen, aber dem Alkohol sehr zugetanen Mitbürgern, die die Gentrifizierung noch nicht aus den aufstrebenden Vierteln vertreiben konnte und Union Berlin weiterhin eisern die Treue halten.

Die große Ehre habe ich, eine Insel dieser Wesen im Bionade-Paradies Prenzl'berg direkt unter mir zu haben: Eine "Alt"-Berliner Kneipe. Hier treffe ich sie an, stets dieselben und immer unter sich, von morgens um Zehn, wenn sie aufmacht bis zu ihrem Schließen, meistens gegen Elf. Da ich sie bei jedem Verlassen und Betreten des Hauses sehen muss, bin ich bestens im Bilde darüber, wer alles auf dieser Insel so seinen Tag verbringt und habe ihnen mittlerweile Kosenamen gegeben.
Zum Beispiel Grimmiger Gustav. Er trauert dem Mauerfall nach und hilft in der Kneipe aus. Er sieht so aus, als wolle er sich permanent Prügeln. Deshalb trägt er im Großstadtjungel auch stets seine Hose im Camouflage-Look. Da man ihm im Tarnnebel der Raucherkneipe ohnehin kaum sehen kann, ist er praktisch unsichtbar getarnt für Neukunden. Oder Willi, der Postbote. Er leidet unter Übergewicht, so wie der ebenfalls häufig anzutreffende Kiosk-Betreiber nebenan, das liegt wohl daran, dass er sich außer der Bewegung, die sein Job erfordert, meistens an der Theke aufhält. Er fühlte sich aber durch jAms letzten Eintrag sehr angesprochen und geht, dadurch motiviert, die Partnersuche jetzt etwas aktiver an.
Birgit, ein weiblicher, betagterer Stammgast, schwärmt ja schon länger für ihn. Allerdings steht selbst der Postbote Willi, nun wirklich nicht ein Mann von Anspruch und Welt, ihrer Mode eher skeptisch gegenüber. Birgit liebt Schürzen und Schlabberleggins in feinster Wurst-Optik, die sie mit offenen Küchenlatschen kombiniert. Damit ist sie übrigens auf der Insel der Seeligen nicht allein, nur tragen die Männer dort  standesgemäß Socken zu ihren Latschen und Sandalen von kik.
Im Gegensatz zu den meisten Gästen der Kneipe, die im Übrigen immer Stammgäste sind, denn Touristen merken innerhalb von Sekunden, welcher Wind in dieser Spelunke weht und nehmen Reißaus, hält sich Birgit nicht für eine Alkoholikerin. In ihrem Bierglas befindet sich überwiegend eine mit Beta-Carotin gefärbte Flüssigkeit, die wohl wie Fanta aussehen soll. Natürlich, Birgit, das ist Fanta.
Da ist weiterhin die klobürstige Besitzerin, mit ihrer praktischen DDR-Kurzhaarfrisur möchte ich sie einmal Janette nennen. Janette hat noch nie gelacht, nicht einmal dieses dreckige, verrauchte Lachen ihrer meisten Gäste. Sie hat ein hartes Leben mit all diesen Säuferseelen, deren Probleme sie sich tagtäglich anhören muss. Sie ist die einzige von allen, die es als Wirtin zu was gebracht hat. Deshalb ist sie auch mit dem Mann vom Dönerimbiss nebenan liiert.
Man könnte noch viel erzählen, von RollstuhlJoe mit seinen unpassenden Turnschuhen, die viel zu groß sind, aber sie erinnern ihn an die Zeit, bevor er sein Raucherbein amputiert bekam oder Freizeit-Erich, der zwar immer gegen Honecker war, aber dessen Brillenmode "nun wirklich nicht die schlechteste war". Ein Mikrokosmos des alten Prenzlauer Bergs, "Alt" ist bitte sehr wörtlich zu nehmen - unter 65 schaut man da dumm aus der Wäsche, ein Tummelplatz der Fußballbegeisterten, die zwar die aktuelle Tabelle kennen, aber Obama für den neuen Auswechselspieler des 1. FC Energie Cottbus halten, ein Wolke aus alten Herren, Nikotin und Ostalgie. Eine dunkle Wolke. Möge sie doch woanders regnen.

Ich wünsche mir oft, dass diese Kneipe schließt. Ich weiß, das ist nicht nett, denn diese Menschen haben weitausmehr Probleme als die Flughafengesellschaft BBI im Moment (Immerhin will die jemand) und brauchen ihr Inselchen. Doch manchmal träume ich von einem coolen Unterwäscheladen für Singleladies direkt unten in meinem Haus oder einer Bar, wo auch mal wechselnde Gäste einkehren. Wie wär's mit einem hippen Szene-Treff oder einem Klavierladen? Ich kann sie nicht mehr sehen, dieselben verhärmten Gesichter, jeden Tag, jeden Abend, jeden Morgen, außer Sonntags, den Tag müssen sie wohl hassen. Doch eine Person täte ich liebend gerne dort immer öfter antreffen als nie: Die Frau, die mir gegenüber wohnt.

Auch sie hat einen Namen mittlerweile bekommen: Frustrierte Fotzine. Frustrierte Fotzine ist immer zuhause und glotzt mir den ganzen Tag in die Wohnung. Wenn ich nicht da bin -und dank ihr bin ich das häufig- reicht ihr auch das Leben auf der Straße unten. Dann nimmt sie sich ein Kissen aufs Fensterbrett (im Winter, denn im Sommer nutzt sie dafür die Balkonballustrade) und schaut eine halbe Stunde "fern". Sie ist definitiv arbeitslos und verlässt ihre Wohnung nur zum Einkaufen, obwohl ich sie noch nie auf der Straße getroffen habe. Ob der junge Mann, der manchmal bei Fotzine ist, ihr Sohn ist, weiß ich nicht, aber ich nenne ihn Justin. Dieser Justin hat wohl auch das "Böhse Onkelz"-Emblem auf ihrem Balkon angebracht, welches bestens zu der Sattelitenschüssel daneben passt, denn ich bin mir sicher, dass sie lieber die Flippers hört. Jedenfalls ist frustrierte Fotzine alles andere als ein schöner, tagtäglicher Anblick von 7 Uhr, wenn sie die Fenster zum Lüften öffnet, bis 20 Uhr, danach hält sie sich offensichtlich in ihren Schlafgemächern in der Rückseite des Gebäudes auf, und ist niemals in der besagten Kneipe anzutreffen. Vielleicht weiß sie aber auch, dass der Alkohol dort und ihre Einsamkeit sich prima vertragen....nicht. Sie möchte mich wohl noch länger zwingen, möglichst viel Zeit abseits von meiner Behausung zu verbringen. Auf diese Weise übt Fotzine passiven Widerstand gegen mich als Gentrifizierung, die ihr offensichtlich nichts anhaben kann. Doch mittlerweile bin ich ihr dankbar dafür: Seit ich ihrer permanenten Gegenwart gewahr geworden bin, merke ich erstmal, was ich für ein tolles aufregendes Leben habe. Oh Danke, Fotzi.