Freitag, 10. Juni 2016

Tinderella



Mittlerweile ist es einige Jahre her, dass ich eine verhängnisvolle Wette schloss, körperlich und geistig ausgezehrt nach einer anstrengenden Harzwanderung. Seinerzeit verpflichtete ich mich in einer Wernigeroder Gaststätte, drei junge Fräulein bzw. Frauen -denn, dass sie unbedingt jung sein müssten, hatte eigentlich keiner gesagt- zu treffen via Online-Kennenlernportalen, wenn im Gegenzug Ben* das Gaydar bei sich auf dem Handy nutzen würden. Im Grunde waren die Wettbedingungen gar nicht besonders definiert, es boten sich Schlupflöcher zuhauf. Doch getreu der Juristerei, dass bei Vertragslücken immer im Geiste des Vertrages zu entscheiden sei, will ich mal nicht so tun, als wäre alles ungültig und vergessen. 

Nun ist Online-Dating nicht so wirklich mein Ding. Klar, habe ich schonmal mit unbekannten Mädels gechattet, da bin ich wohl nicht der einzige hier, aber richtig Flamme gefangen habe ich dafür nie. Zu unpersönlich, zu unreal, zu notgeil. Angemeldet hatte ich mich damals dann allerdings schon, um der Wette gerecht zu werden. Ich war allerdings ziemlich wenig aktiv auf dem Online-Portal, Parties sind eben spannender. Dort kann bzw. könnte man die Mädels im Zweifel auch schneller küssen.
Danach war ich in Schweden und ab dann hätte ein online verabredetes Date mit einem Fräulein ernsthafte Konsequenzen nach sich gezogen. Somit schien die Wette hinfällig.

Die Ereignisse des letzten Herbstes änderten die Sachlage wieder gewaltig. Zunächst dachte ich gar nicht mehr an die alte Wette, doch je länger die unsägliche Situation andauerte, desto mehr musste ich über Alternativen nachdenken. Zu Beginn des Jahres 2016 schließlich fasste ich mir ein Herz und legte mir einen Online-Dating-Zugang zu.

Man muss dazu sagen, dass sich die Zeiten mittlerweile geändert haben. War Kennenlernen im Netz um die Jahrtausendwende noch ein sicheres Zeichen von moralischem Verfall und menschlichem Versagen, ist es inzwischen sogar fast schon en vogue, seine Aktivität auf diesem Feld zu betonen. Großen Anteil daran haben aber nicht nur Portale wie Elitepartner oder Parship, die mittlerweile sogar Fernseh-Werbung schalten, sondern eine kleine, simple, winzige App, die ein paar Amerikaner sagenhaft reich gemacht hat: Tinder.

Ich glaube, die Applikation ist mittlerweile derart bekannt, dass ich mir eine Beschreibung jener sparen kann. Getreu dem Motto: "Ich bin nicht auf Elitepartner, weil dort nur Singles mit Niveau sind", meldete ich mich schließlich auch an.

Das Programm ist wirklich spitze und hat einen großen Suchtfaktor. Wisch hier, wisch da, ständig neue Frauen, die in der Nähe sind. Lustige Sprüche, schöne Urlaubsbilder, hübsche Gesichter. Es schien niemals so einfach, Mädels kennenzulernen. Die Betonung liegt allerdings auf scheinen. Denn mit einem mehr oder weniger ausgegorenen Profil musste ich schon bald feststellen, dass die Matches ausblieben. Jene sind Grundvoraussetzung, um mit den schönen Geschöpfen da draußen Kontakt aufnehmen zu dürfen. Die Beobachtungen in Kürze:


  • Seit Jahresbeginn habe ich vielleicht 30 Matches gehabt. Geht man davon aus, dass nur die Hälfte der Damen auch auf meine netten Nachrichten antworten, macht das 15 Kontakte. Bei einer angenommenen Benutzung alle zwei Tage ist das eine katastrophale Quote.

  • Komischerweise gab es kaum Matches in Berlin, wo doch dort viel mehr potentielle Partner leben als z.B. in Westfalen. In Berlin kann man sich zwar länger durch Tinder klicken als der Akku reicht, aber einen Match schien mir das auch nicht zu bescheren. Die meisten Matches hatte ich leider in Paderborn.
  • Hübsche Mädchen schienen mich nie in Erwägung zu ziehen. Insgesamt würde ich von den 30 Matches vielleicht bei drei Fräuleins sagen, dass ich sie wirklich anziehend fand. Mit nur einer davon habe ich ein wenig geschrieben. Das es in allen drei Fällen nicht weiterging, lag wohlgemerkt bestimmt nicht an mir.

  • Es gab ein einziges Treffen. Das war zwar echt nett, aber -ihr kennt die Geschichte- die Dame wollte verschärft mit mir Saufen. Ich hätte Lust gehabt, man weiß ja, was da so passieren kann, aber musste am nächsten Tag bei der Arbeit präsentieren. Nichts zu machen. Das wiederum fand sie blöd. Es sollte wohl nicht sein.

  • Die Möglichkeit, bei Tinder einen kleinen Text "über mich" zu schreiben, ist zwar nett, aber vollkommen irrelevant. Ich habe es mit allem versucht: Gar kein Text, ehrliche Beschreibung, Ironie, witzige Sprüche ohne Inhalt oder einfach nur harte Fakten. Zieht alles nicht.

Mittlerweile bin ich soweit: Entweder der Algorithmus hat sich gegen mich verschworen oder ich sehe einfach nicht gut genug für die oberflächlichste App der Welt aus. Für ersteres spricht mein notwendiger Fake-Facebook-Account mit nur einem Freund, das könnte auch Tinder verdächtig vorgekommen sein. Für zweites der Besuch meines Vetters vor Kurzem. Während ich ihm mein Tinder-Leid klagte, fuhr er bei jedem zweiten Wisch einen Match ein. Es war nicht zu fassen.

So oder so: Die App ist inzwischen einfach nur noch frustrierend. Sie zeigt einem, was man alles anscheinend nicht haben kann. Ich gebe ihr noch ein bisschen. Aber entschieden habe ich bereits: Mein Ding ist Offline-Dating und Sprechen. Nicht bloß Selfies ins Netz stellen und hoffen, dass irgendwer in 20km Umkreis sie schön findet.