Sonntag, 31. März 2013

Außenposten Skandinavien

Ben* beglückte uns vor einigen Tagen an dieser Stelle mit einer kurzen Einschätzung zu Land und Leuten des fünften Kontinentes. Da seine Übersicht alle wichtigen Facetten abdeckte, die bei Reisen in fremden Ländern eine Rolle spielen, fühlte ich mich sofort inspiriert, diese genannten Punkte auch mal für Skandinavien zu beharken. Weil Außenposten Schweiz und Reichshauptquartier Berlin nach wie vor schweigen, hier nach sorgfältiger Beobachtung einen kleinen Vorgeschmack für alle Nordlandreisenden.

Wetter:
Die Wetterlage steht hier wie überall in Europa derzeit Kopf. Es ist mit Temperaturen um die Null Grad zwar kältemäßig in der Norm, aber seit ich hier bin fast ununterbrochener Sonnenschein ist weder normal noch habe ich es verdient. Das Verschwinden des Eises wünscht nicht nur ihr euch in Mitteleuropa.

Geld:
Dass die schwedische Krone eine behinderte kleine Micker-Währung ist, wissen wir alle. Gilt genauso für Norwegen und Dänemark. Nur die Finnen sind mit dem Euro dem Club der Sieger beigetreten....naja, vielleicht trifft es Sieger nicht ganz. Behindert ist die Krone trotzdem.
Leider ist hier -wie gesagt- alles schweineteuer. Erst wenn man mal ins Nachbarland Norwegen reist, fängt man an, dass Preisniveau in Schweden zu akzeptieren und nicht permanent mit Deutschland zu vergleichen. Was die da nämlich nebenan veranstalten, ist nur ab-nor-wegig. Volkssport Containern. Oder eben nach Schweden zum Einkaufen reisen. Das muss man sich erstmal vorstellen, Kaufrausch in einem Land, wo ein Sechser "Wasser mit Biergeschmack" fünf Euro kostet.

Leute:
Auch die Skandinavier sind ein sehr freundliches Volk. Zudem sprechen sie (zu meinem Bedauern allerdings) fast alle Englisch auf hohem Niveau. Allerdings helfen sie selten ungefragt, es sei denn sie sind dicht. Gegenüber der Reserviertheit hier oben, erscheint der Durchschnittsdeutsche bisweilen sogar temperamentvoll.

Tierwelt:
Angeblich kann man in Uppsala durchaus mal Elche antreffen. Bisweilen bin ich in freier Wildbahn allerdings eher diesen großen blonden Rehen begegnet, die meine Jagdinstinkte aufs hellste erglühen lassen, wo mir dann durchaus mal die Büchse aus der Hand fällt, wenn ein brunftiges Stück unvorhergesehen auftaucht.

"Jetzt kommen wir zu den wirklich wichtigen Angelegenheiten..."

Bier:
Für die schwedische Regierung sind Biertrinker Kleinkriminelle, die dringend im Zaum gehalten werden müssen. Ihr Handeln wird in gewissem Rahmen toleriert, weil man ihnen nicht anders beikommt, sofern sie abgeschirmt vom Rest der Gesellschaft bleiben. Ich werde dazu nochmal einen extra Beirtag bringen, weil dies selbstverständlich für mich ein großes Problem darstellt. Einziger Ausweg: Der Weg in die Illegalität....

Rauchwaren:
Hier haben die Schweden genauso wie die Ausis jedes Maß verloren. Raucher werden fast so schlecht wie Säufer behandelt. Rauchen kann man hier eigentlich nur noch im Wald (ist aber mit Sicherheit auch verboten) oder in stillen Kellerräumen. Kürzlich las ich einen schwedischen Artikel, in dem man bedauerte, im Kampf gegen den Rauch mittlerweile hinter die Brüder aus Norwegen und Island zurückgefallen zu sein. Die Antwort darauf ist ein diskutiertes TOTALES Rauchverbot in ca. fünf Jahren. Möge dieser Tag nie kommen.

Eine kleine Absonderlichkeit leisten sich die Nordmenschen dennoch im Punkto Nikotin: Die EU gestattet den Skandinaviern nach wie vor, etwaiger Nikotinabhängigkeit mittels "Snus", einer Art Lutschtabak, zu frönen. Es handelt sich um kleine, leicht minzig schmeckende Kissen aus einem teebeutelartigem Material, die man für einige Zeit unter die Oberlippe klemmt. Mich machen sie lediglich schwindelig, aber hier sind sie nicht wenig verbreitet. Eine bemerkenswerte, für umstehende sehr angenehme, weil geruchslose Methode, die durchaus auch für unser Land eine große Bereicherung wäre.

Mode:
ist hier echt spitzenmäßig. Die Schweden kleiden sich allesamt schick, auch wenn H&M da auf jeden Fall nicht unbeteiligt dran ist. Nur ist leider, vielleicht aber auch der Kälte wegen, der Trend zur weiblichen Hose wie allerorten sehr zu kritisieren. Dass die Mode hier die Menschen, allenvoran die Damen, noch schöner aussehen lässt als ohnehin schon, habe ich schon mehrfach erwähnt. Es ist beides: Wunderbar, kann aber auch sehr deprimierend sein. Und schon jetzt weiß ich, wenn der Sommer erstmal kommt, dann werde ich wohl blickdichte Sonnenbrillen brauchen.

Verkehr:
Die behinderten Spastis fuhren hier einmal auf der falschen Seite. Dank Europa tun sie das seit einigen Jahrzehnten nicht mehr. Obwohl ich hier noch nicht Auto gefahren bin, kann ich sagen, dass der schwedische Autoverkehr bei mir keinerlei Angstzustände auslöst. Es gibt keine Autobahn, die meisten Straßen sind immerzu menschenleer und die Schweden fahren sehr entspannt und gesittet. Dass hier Betrunkene überfahren werden, ist daher nahezu ausgeschlossen, dass sie im Gefängnis landen, dagegen um einiges wahrscheinlicher. In Uppsala fahren sowieso alle Fahrrad, hier herrschen fast holländische Verhältnisse.


Kriminalität:
Fahrraddiebstahl ist der einizige Diebstahl, der hier zu befürchten ist. Die Fahrradklaumafia schlägt sogar bei Schrotträdern zu. Das Geschäft mit Hehlerware scheint zu florieren, weil die Drahtesel bei den Buspreisen hier notwendig sind.
Bierklau wird hier nur von zugezogenen, verzweifelten Deutschen praktiziert. Ich bin mir sicher, ihr habt vollstes Verständnis dafür, denn diese Menschen sind in Not und sehr durstig.
Ansonsten kan man sein Handy auf die Straße legen, es wird morgen noch da sein. Allenfalls das Fahrrad da neben könnte eben verschwunden sein.

Sprache:
Schwedisch ist als nordgermanische Sprache dem Deutschen, Hollandisch/Niederdeutschen und dem Englischem (Allesamt westgermanische Sprachen) recht ähnlich. Daher ist es nicht so schwer. Wie gesagt, man braucht es eigentlich eh nicht. Das ist zwar angenehm, aber macht mir das Lernen nicht leichter. Ich finde, dass die schwedische Gesellschaft viel zu anglisiert ist. Interviews im Radio auf Englisch werden nicht mehr übersetzt. Überall findet man englische Ausdrücke (Es gibt allerdings durchaus auch einige geläufige Deutsche), Englisch ist unangefochten Lingua Franca in allen Universitätsgebäuden, lediglich wenn Schweden unter sich sind, bevorzugen sie ihre Muttersprache. Die Menschen in Skandinavien müssen meiner Ansicht nach aufpassen, dass aus ihrer Weltläufigkeit und Fortschrittlichkeit nicht eines Tages ein Identitätsverlust wird.

Tja, soweit zur Lage vom Land am Ostseestrand. Man würde sich freuen, von den anderen Posten auch mal wieder was zu hören, ansonsten verbleibe ich mit einem herzlichen "Hej då!" und wünsche allensamt frohe Ostern!

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